Jahresrückblick Surfen

Je ne regrette rien …

Nein, ich bereue nichts. Dieser Chanson von Edith Piaf hat mich schon immer fasziniert.

Weil er sich so intensiv mit dem Leben auseinandersetzt. Mit dem Leben, das wir in seiner Ganzheit annehmen müssen – mit all der Freude und all dem Schmerz, mit all der Liebe und all dem Leiden.

Niemals hätte ich allerdings gedacht, dass ich mit diesem Songtitel einmal meinen Jahresrückblick beginnen werde. Was vor allem daran liegt, dass ich nicht davon ausgegangen bin, jemals in der Öffentlichkeit auf das zurückzublicken, was mich in den vergangenen 52 Wochen bewegt hat.

Und das war wirklich verdammt viel. Als Leser dieses Blogs warst du Teil davon. Immer wieder muss ich mich kneifen, wenn ich sehe, wie viele Menschen etwas über meine Geschichte und meine (neue) Sicht des Lebens lesen wollen.

Vielleicht klingt das jetzt pathetisch (aber es muss sein): Ich bin unendlich dankbar für deine Unterstützung! Das löst echte Glücksgefühle bei mir aus.

Ein Blog prägt mehr als Schule, Studium und Angestelltenjob

Was ich mit meinem Blog in den vergangenen 8 Monaten erleben durfte, hat mich mehr geprägt als 13 Jahre Schule und zwei Jahrzehnte, die mit Studium und Redakteursjob ausgefüllt waren.

Zwar musste ich mich selbst auf den Weg in mein neues Leben machen. Doch da gibt es noch die unsichtbare Hand, die mich anschiebt, wenn die Strecke beschwerlicher wird. Die speist ihre Kraft aus der täglichen Bestärkung durch die unzähligen Kommentare, Mails und weiteren Nachrichten.

Und aus den vielen neuen Bekanntschaften mit anderen Bloggern, zumeist noch virtuell. Einige durfte ich schon kennenlernen, es entwickeln sich Freundschaften. Dadurch bekomme ich sagenhaft viel Motivation, Inspiration und Zuspruch.

Denn ich spüre dabei: ICH BIN NICHT ALLEIN. Weder mit dem Thema Angst, noch mit der angehenden Selbstständigkeit, und schon gar nicht mit meinem Freiheitswillen, meiner Sicht auf das Leben und unsere Gesellschaft.

Dieses fette Dankeschön an alle Wegbegleiter und Anschieber möchte ich am Ende des Jahres unbedingt loswerden.

Und jetzt auf zum Rückblick auf ein verrücktes Jahr – für mich bisher das Jahr meines Lebens.

Das Jahr des Mutes

Was witzig ist: Viele halten meine Entscheidung, einen gut bezahlten Redakteursjob zu kündigen, für extrem mutig. Mir dagegen kommt es im Rückblick gar nicht so vor. In der eigenen Wahrnehmung sehe ich das mehr als Notwendigkeit. Schließlich sind mir durch meine Krankheit die Augen dafür geöffnet worden, was mich im Leben unglücklich macht.

Für mich als Ex-Hasenfuß stellte sich dagegen die sechsmonatige VW-Bus-Tour im Vorfeld als die deutlich größere Mutprobe dar. Rund 12 Monate vor dem Aufbruch war es mir noch so schlecht gegangen, dass ich mich nicht mehr aus dem Haus getraut habe. Und dann halb Europa (großteils) allein zu bereisen, war durchaus ein Wagnis.

Zum Glück bin ich die Herausforderung eingegangen. Diese Zeit hat mich geprägt wie noch keine andere zuvor. Ich bin brutal stolz darauf, wie ich diese Reise gemeistert habe.

Das Jahr der Lebenslust und Verrücktheit

Jahresrückblick verrückt

So wie auf diesem Bild habe ich manchmal meine unbändige Freude am Leben einfach heraus geschrien. Es war, wie wenn ich einen ganzen Satz Ketten, der mich gefesselt hatte, auf einen Schlag weggesprengt hätte.

Ich habe Dinge ausprobiert, ohne nachzudenken, Leute angequatscht, (fast) ohne nachzudenken, viel und laut gelacht, noch mehr und noch lauter beim Fahren gesungen. Es kam eine Unbeschwertheit zum Vorschein, die ich in dieser Art noch nie erlebt hatte.

Das Jahr der Reflexion

Früher war ich fast ausschließlich Kopfmensch. Inzwischen habe ich auch gelernt, wie ich Zugang zu meinen Gefühlen bekomme. Für mich eine wichtige Kombination in diesem Jahr. Denn auch, wenn ich von meinen Entscheidungen überzeugt war, habe ich mich doch immer wieder gefragt, ob ich auf dem richtigen Weg bin und wie es mir dabei geht.

Durch das viele Reflektieren konnte ich die Momente, in denen es mir nicht so gut ging, viel besser einordnen. Meine Gedanken und Gefühle hier aufzuschreiben, hat mir zusätzlich geholfen. Die wichtigste Erkenntnis: Ich würde alles genau so wieder machen.

 Das Jahr der Freiheit

Jahresrückblick FreiheitKein Alltag, keine Termine, immer draußen in der Natur, fast immer am Meer, mehr als 20 000 Kilometer on the road, ankommen, wann ich will, fahren, wann ich will, ständig neue Landschaften, Orte, Menschen: Das Freiheitsgefühl einer solchen Tour lässt sich durch nichts anderes simulieren.

Mit jedem Tag länger unterwegs habe ich gemerkt, was mir so lange gefehlt hat. Und weiß jetzt auch, was ich in Zukunft öfter tun muss. Es muss ja nicht immer ein halbes Jahr sein …

Das Jahr des Vielschreibers

Artikel für Adios Angst, Artikel für Earthcity, Gastbeiträge, Interviews, Mails, Kommentare, Facebook-Nachrichten: Bloggen und alles, was dazu gehört, fühlte sich manchmal wie ein Halbtages-Job an.

Allerdings wie eine Teilzeitbeschäftigung, für die sich die manchmal nervige Suche unterwegs nach tauglichem WLAN immer gelohnt hat. Die Rolle als Autor und Ratgeber gefällt mir ausgesprochen gut und erfüllt mich mit großer Zufriedenheit.

Das Jahr der Sonne

Jahresrückblick Sonne

Was für ein Wetterdusel! Im Vorfeld der Tour hatte ich mich darauf gefreut, einen ganzen Sommer lang draußen zu sein und jede Sekunde Sonnenschein auszunutzen. Was ich nicht ahnte: dass die Sonne tatsächlich fast andauernd scheint. Auf den Lofoten an vielen Tagen sogar 24 Stunden am Stück. Bei bis zu 28 Grad. In der Arktis.

Ich weiß nicht, womit ich diesen endlosen Sommer verdient habe. Ich weiß nur, dass zwei kurze Hosen genauso wie zwei Paar Flip-Flops am Ende der Tour wegen dauernder Überbeanspruchung entsorgt werden mussten.

Das Jahr der kurios-ungeplanten Ausgaben

Die sinnloseste Ausgabe meines Lebens – und im Nachhinein auch die lustigste – waren 55,72 Euro für eine Facebook-Werbeanzeige mit folgendem Titel DDdxdyyxdd8 wf? Dxyxsdse, ec”#”xn#Mmm MD eY. 

Der Hintergrund: Bevor ich in Cambridge in ein einstündiges Kirchenkonzert gegangen bin, war ich noch bei Facebook. Tja, und dann habe ich wohl vergessen, die Datenverbindung auszuschalten und die Tastensperre zu aktivieren. So machte sich mein Smartphone selbstständig mit bekanntem Ergebnis. Und ich wurde nach dem Konzert mit der berechtigten Frage konfrontiert, was ich mit diesem Post aussagen wollte.

Auch nicht schlecht waren schlappe 360 Euro, die ein norwegischer Abschleppdienst mir für das Öffnen meiner Bustür in Rechnung gestellt hat. Sich nachts um 1 Uhr auszusperren, war so gesehen auch keine optimale Idee.

Das Jahr des Wassers

Jahresrückblick Wasser

Punten auf der Cam, Stand-up-Paddeln, Kajakfahren, Surfen sowie Baden bei allen Temperaturen und zu allen Tag- und Nachtzeiten, dazu noch reihenweise Fährüberfahrten: Wasser war das prägende Element meines Jahres.

Unvergesslich: Das Mitternachtsbad in der Arktis bei dichtem Nebel und 12 Grad Wassertemperatur im Deutschland-Trikot. Der Grund: Der 7:1-Sieg unserer DFB-Elf im Halbfinale gegen Brasilien. Besondere Ereignisse erfordern besondere Maßnahmen.

Das Jahr der Versöhnungen

Meine wichtigste Erkenntnis 2014: Kein Konflikt dauert ewig oder ist unlösbar. Über ein Jahrzehnt hatte ich meinen Vater nicht mehr gesehen. Für mich war die “Schuldfrage” – eine Kategorie, in der ich inzwischen sowieso nicht mehr denke – klar. Doch ich bin über meinen Schatten gesprungen, habe den Kontakt gesucht und bin jetzt heilfroh, dass wir uns wieder verstehen.

Dann hat sich auch noch aus heiterem Himmel ein Kumpel gemeldet, mit dem ich vor acht Jahren in einem richtig fetten Streit auseinander gegangen bin. Bei den wenigen Begegnungen danach haben wir uns weder angesehen noch miteinander geredet. Jetzt schreiben wir uns immerhin wieder.

Unglaublich! Und wirklich ein gutes Gefühl.

Und 2015?

Das Einzige, was ich mir vornehme: an das anknüpfen, was mir dieses Jahr an Mut, Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl beschert hat. Alles mit Ruhe und Zuversicht auf mich zukommen lassen. Mich an das erinnern, was mir so viele Glücksgefühle beschert hat. Und das dann immer wieder tun.