8 Stunden Yoga, Meditation, Mantra singen und Vorträge – und das 5 Tage lang: Ich wollte unbedingt einmal wissen, wie sich die Zeit in einem Ashram anfühlt und habe deshalb einen Kurs im Yoga-Seminarhaus in Maria Rain im Oberallgäu gebucht. Hier kommt mein Erfahrungsbericht.

Jaya Ganesha, Jaya Ganesha, Jaya Ganesha, Pahimaam

Sri Ganesha, Sri Ganesha, Sri Ganesha, Rakshamaam

(Anrufung der Energie des elefantenköpfigen Gottes Ganesha,
um alle Hindernisse auf dem Weg zu beseitigen)

Bleibt dieses Mantra jetzt für immer in meinem Kopf?

Ich weiß ja, was Ohrwürmer anrichten können. Aber das ist kein Ohrwurm mehr. Das ist eine Schwingung, eine Energie, die sich in meiner Seele angereichert hat.

Insgesamt zehnmal – einmal morgens, einmal abends – haben wir in großer Runde von rund 50 Menschen das Mantra gesungen. Und seit Mittwoch ist es mein ständiger Begleiter. Morgens, mittags, abends, sogar nachts, wenn ich mal aufwache.

Ein absolut irres Gefühl. Auf die eine Art sehr angenehm, auf die andere Art verwirrend: Was hat dieses Singen in Sanskrit – im Übrigen die älteste Sprache der Welt, die in Indien seit Jahrtausenden für spirituelle Zwecke verwendet wird – mit mir angestellt?

Einfach mal den Verstand außen vor lassen

Dabei war ich an den ersten beiden Tagen noch der große Zweifler. Ich wollte unbedingt bei den Mantras etwas fühlen, aber da war nichts. Unsere Seminarleiterin gab mir den entscheidenden Hinweis: einfach mal den Verstand, den Intellekt außen vor lassen, immer wieder mitsingen und nachwirken lassen. Irgendwann würde ich von selbst merken, wie die Energie fließt und ich davon profitiere.

Nicht, dass ich das im Inneren nicht gewusst und schon öfter erlebt hätte. Aber ich musste scheinbar wieder den Stups bekommen, um mein rationales Wesen zurückzufahren und einfach wieder auf den “Schauen-wir-mal-was-passiert”-Modus zu schalten.

Im Übrigen auch sonst der beste Ratschlag, wenn man zum ersten Mal in einen Ashram geht und sich über Tage hinweg fast ausschließlich mit Yoga, Meditation, Mantra singen und dem Aneignen von Wissen darüber beschäftigt.

Offene Augen, ein offenes Herz und Lust auf Neues sind ganz gute Voraussetzungen, um aus dieser Zeit für sich etwas herauszuziehen. Und die Spielregeln des Hause zu akzeptieren und als (mehr oder weniger große) Prüfung anzusehen.

Vom Allesfresser zum Veganer über Nacht

Vor allem in Hinsicht auf das Essen war das für mich zu Beginn brutal hart. Vom klassischen Allesfresser zum Veganer (es gibt nur ganz vereinzelt Milchprodukte) über Nacht – da spielt der Körper schon einmal verrückt und dreht vor Hunger fast durch. Vor allem, da es nur zwei Mahlzeiten um 11 und 18 Uhr gibt. Dazu ausschließlich Wasser und Tee: Das fühlte sich so richtig nach Askese an und hat mich gleich um zwei Kilo Körpergewicht erleichtert.

Interessant ist, wie schnell sich der Körper an die Umstellung gewöhnt. Nach zwei, drei Tagen stellt sich ein anderes Hunger- und Energielevel ein. Wenn die morgendliche Yogaeinheit besonders anstrengend war, musste ich zwar kämpfen. Aber ich dachte mir “aufgeben gilt nicht”.

Was das eigentliche Ziel von Yoga ist

Besonders spannend fand ich, in Theorie und Praxis bestätigt zu sehen, worum es eigentlich beim Yoga geht: um die innere Einkehr, das Ausschalten des Gedankenkarussells, tiefe Entspannung und zu spüren, welche Energien fließen, wenn dein Atem mit deinen Bewegungen in Einklang ist.

Und eben nicht das wilde Herumturnen gestresster Business-Ladys beim Power-Yoga mit dem einzigen Zweck, einen besonders straffen Po zu bekommen. Die Verbesserung von Figur und Beweglichkeit ist natürlich trotzdem ein sehr positiver Nebeneffekt des Yoga.

Doch viel interessanter sind die Prozesse, die starten, wenn du deinen Fokus über Tage konsequent nach innen richtest. Bei mir stellte sich ungefähr ab der Halbzeit, als Umgebung, Vorgänge und Menschen vertraut waren, ein beruhigendes Gefühl ein, dass alles im Fluss ist. Dass mich jede weitere Yogastunde, Meditation und jedes Mantrasingen näher zu meinem eigentlichen Kern bringt.

Ein spiritueller Moment, wie ich ihn noch nie zuvor erlebt hatte

Eine besonders berührende Begegnung mit mir selbst hatte ich Mittwochabend. Eine Ashram-Mitarbeiterin sang mit unglaublicher Hingabe mit uns zusammen 20 Minuten lang folgendes Mantra:

Like the sunlight, like the moonlight,

always, always I am with you,

Like the ocean, like the river,

always I am flowing to you.

Ich saß da mit Gänsehaut, weil die Energie im Raum mit den Händen zu greifen war. Es war ein unglaublicher Moment, diese Schwingungen zu spüren, mich von dem positiv-wohltuenden Gesang davontragen zu lassen und zu merken, wie sich mein Herz immer weiter öffnet.

Da war etwas in mir, was so noch nicht berührt worden ist. Was mich glücklich machte und mir zugleich Tränen in die Augen trieb, weil irgendwelche wunden Punkte damit angefasst wurden. Ein so tief gehendes spirituelles Ereignis, wie ich es noch nie zuvor erlebt hatte.

Das Signal, das ich dadurch bekommen habe (und das ich mir wahrscheinlich auch im Vorfeld der 5 Tage erhofft hatte), ist klar: Mein Weg, den ich mit meinem zweiten Geburtstag vor gut zwei Jahren eingeschlagen habe, ist noch lange nicht zu Ende. Um dahin zu schauen, wo es weh tut, um endlich zu erfahren, was mich so lange Zeit blockiert und mir Angst gemacht hat (und das zum Teil immer noch tut), sind noch viele weitere solcher Erfahrungen nötig.

Mein Fazit: Nach leichten Anlaufschwierigkeiten habe ich im Ashram das bekommen, was ich gesucht habe. Eine wohltuende Auszeit von der täglichen Betriebsamkeit (das Internet habe ich nicht eine Sekunde vermisst), eine neue Erfahrung bezüglich der Ernährung und eine innere Ruhe, die sich von Tag zu Tag immer weiter ausgebreitet hat. Ein wenig wie in Trance bin ich am Freitag nach Hause gefahren, um von der spirituellen in die “echte” Welt zurückzukehren. Wobei ich meine Aufgabe nun darin sehe, beide Welten noch besser miteinander zu verknüpfen und meinen eingeschlagenen Weg fortzusetzen.

Ashram – ja oder nein?

Nach meiner ganz persönlichen Sicht will ich dir zum Schluss natürlich auch noch sagen, ob so eine Woche auch etwas für dich wäre. Hier meine Tipps.

Für wen ein Aufenthalt im Allgäu-Ashram geeignet ist: 

  • Alleinstehende Männer, denn die Frauenquote dort ist sogar noch höher als im Reitverein oder Kunstgeschichte-Studium.
  • Pädagogen aller Art. Zumindest in unserem Kurs kamen weit über 50 Prozent aus dieser beruflichen Ecke.
  • Veganer
  • Yogis ohne Platzangst (bin ich jetzt mit meinem Zehen in der Nase des Vordermanns?)
  • Frühaufsteher. Die ersten Atemübungen beginnen um 6 Uhr.
  • Menschen, die gerne darüber diskutieren, ob auch Fliegen und Mücken so göttliche Lebewesen sind, dass man sich von ihnen eine ganze Nacht lang piesacken lassen muss, anstatt ihnen den Garaus zu machen und sie vorzeitig auf Reinkarnationsreise zu schicken.
  • Erfahrene Meditierer, die auch dann noch in ihrer Mitte bleiben, wenn um 7.15 Uhr der Bio-Gemüselaster mit großem Getöse in den Hof fährt und mit lautem Krach ablädt.
  • Alle, die am liebsten den ganzen Tag Schlabberklamotten tragen. Mehr braucht man dort nicht.

Für wen ein Aufenthalt im Allgäu-Ashram eher nicht so geeignet ist:

  • Echte Bayern, die ohne Leberkäse und Bier keinen einzigen Tag überstehen können.
  • Partymäuse und Langschläfer.
  • Streng wissenschaftlich orientierte Menschen, für die selbst Yoga schon “esoterisch angehaucht” ist
  • Plappermäuler. Denn jeden Tag ist bis 8 Uhr Schweigen angesagt, am Mittwoch sogar bis 12 Uhr.
  • Kaffee-Junkies. Koffein und Teein sind genauso ein No-Go wie Alkohol, Nikotin, Fleisch, Fisch und Eier.
  • Hampelmänner. Wer nicht mindestens 15 bis 20 Minuten ruhig sitzen kann, hat nichts von der Meditation und nervt die anderen.

Mein Gruß und Dank geht an dich, der du bis hierhin so tapfer durchgehalten hast.

Om Shanti

Warst du schon einmal in einem Ashram oder hast es vor? Und wie wichtig sind dir spirituelle Erfahrungen? Legst du Wert darauf oder ist dir das alles zu abgefahren und esoterisch? Ich freue mich diesmal ganz besonders auf deinen Kommentar, weil ich das Thema so unglaublich spannend finde und mich mit so vielen Menschen wie möglich darüber austauschen will.