Herausgefallen aus dem System

UNVERMITTELBAR. Zack, das sitzt. Stempel drauf. Nicht mehr tauglich für unsere durchgetaktete deutsche Arbeitswelt voller Zeugnisse, Diplome und Zertifikate.

Ganz so hart hat mein Berater von der Arbeitsagentur das nicht formuliert. Aber mir bei unserem – im Übrigen sehr guten – Gespräch klar gemacht, dass ich mir einen Bewerbungs-Marathon um einen bezahlten Job sparen könne.

Der Abschluss als Diplom-Kaufmann? Nichts mehr wert. 12 Jahre her und niemals in dem Bereich gearbeitet. Und ein Job als Redakteur? Na ja, jeder weiß, wie es in der darbenden Branche aussieht. Und dann auch noch meine Vorgeschichte …

Einen kurzen Moment habe ich mir überlegt, ob ich geschockt sein soll. Als sich dieses Gefühl partout nicht einstellen wollte, habe ich in mich hinein gegrinst.

Denn genau genommen wollte ich ja nichts anderes hören. Der Stempel “Herausgefallen aus dem System” zwingt mich, einen Weg einzuschlagen, den ich eh wollte.

Ich will kein Bürosklave mehr sein

Ich hatte ja schon lange die Entscheidung getroffen, kein Bürosklave mehr sein zu wollen. Nur: Was wäre passiert, hätte mir der Berater gute Vermittlungschancen versprochen? Wäre ich dann eingeknickt und hätte wieder nur an die sichere Bezahlung gedacht wie früher?

Gut, dass sich die Frage nicht stellt. Denn zum einen fasziniert mich die aktuelle Unsicherheit und spornt mich an. Zum anderen ist eine schlechte Vermittelbarkeit die Grundvoraussetzung, um einen Gründungszuschuss zu erhalten, der den Start in die Selbstständigkeit erleichtert.

Ich bin sehr dankbar, dass es solch eine Hilfe gibt. Nun liegt es an mir, alles Erdenkliche dafür zu tun, um diese auch zu bekommen.

Zeit im Büro absitzen, jeden Tag geplättet nach Hause kommen und am Wochenende ausruhen war gestern. Ab jetzt heißt es: ackern, kreativ sein, sich noch weiter vernetzen, angefangene Projekte vorantreiben, die vielen Ideen kanalisieren und weiter mutig voranschreiten.

Ob mir das leicht fällt? Ja. Ob das eine einfache Aufgabe wird? Nein. Aber da halte ich es mit einem meiner Lieblingssprüche:

Niemand hat gesagt, dass es einfach wird.

Weil ich so viele Nachrichten bekommen habe, was ich denn jetzt genau mache (weshalb ich heute vergleichsweise ausführlich über das Thema schreibe), lupfe ich nun den Hut und – Trommelwirbel … – darunter sitzt ein weißes Kaninchen. Also ganz unscheinbar.

Genauso unspannend wie mein neues Wirkungsfeld. Denn es ist gar nicht neu. Ich werde in dem Bereich bleiben, in dem ich am besten bin: beim Schreiben.

Ich versuche mich in Zukunft als freier Journalist, Autor, Texter und Blogger. Der Grundstein dazu ist in Teilbereichen schon gelegt. Jetzt bin ich am Zug, mich in den nächsten Monaten am Markt zu positionieren und mir geduldig ein Portfolio aufzubauen.

Keine Panik vor der Zukunft

Macht mich das nervös? Ja, manchmal. Das gehört aber dazu. Ich habe aber keine Panik vor der Zukunft, ich male mir kein “was wäre wenn?” Horrorszenario aus, sondern freue mich jeden Tag über die Chance, meinem Leben eine neue Richtung zu geben.

Und wenn ich es komplett versemmeln sollte, dann habe ich es wenigstens versucht. Niemals muss ich mir vorwerfen, dass ich in der wichtigsten Phase meines Lebens faule Kompromisse eingegangen bin. Das treibt mich jeden Tag an.

Seit 18 Monaten habe ich einen Satz, den ich mir immer sage, wenn es darum geht, Dinge zu tun, die ich mich zuvor nicht getraut hätte:

Und wenn ich mit wehenden Fahnen untergehe,
bin ich immer noch stolz darauf,
dass ich wenigstens in den Kampf gezogen bin.

Das hilft. Denn es nimmt dem Scheitern seinen Schrecken. Und letztlich bin ich niemals untergegangen – egal, was ich auch angepackt habe.

Du hast dir jetzt vielleicht gedacht: Na ja, seine Frau wird wahrscheinlich ganz gut verdienen, die hält ihn dann schon über Wasser, falls es bei ihm nicht läuft. Nein, da muss ich dich leider enttäuschen.

Wir sind die völlig Verrückten

Wir sind die aus Otto-Normal-Konsumbürger-Angestellten-Sicht völlig Verrückten. Denn wir haben beide keinen festen Job mehr. Meine Frau hat sich – nachdem sie im Frühjahr gekündigt wurde – schon im Herbst selbstständig gemacht, arbeitet ebenfalls als Freelancerin und hilft als Marketing-Expertin Firmen und Agenturen in den Bereichen Konzept und Kommunikation.

Was heißt das für uns: Wir genießen die Freiheit, wir zweifeln, wir pushen uns, wir arbeiten öfter bis in die Nacht hinein, wir fragen uns manchmal, was wir da tun, um schnell wieder zu wissen, warum wir das tun.

Wir sitzen nicht ungeduscht im Bademantel vor dem Rechner, sondern kleiden uns, wie wenn wir ins Büro gehen würden. Mit dem Unterschied, dass wir uns dafür nicht ins Auto setzen, sondern nur die Treppe hinauf in unser Coworking Space gehen müssen.

Noch vor zwei Jahren hätten wir an einem Sonntag um 17.30 Uhr – so wie jetzt gerade, während ich die Zeilen schreibe – wahrscheinlich Wintersport im Fernsehen geschaut und uns gefragt, warum wir morgen wieder ins Büro müssen.

Nun sitzen wir beide an unseren Rechnern, arbeiten und freuen uns auf den Montag. Denn auch da werden wir wieder viel arbeiten, haben aber auch die Zeit, untertags einem guten Freund persönlich zum 75. Geburtstag zu gratulieren. Eine Art von Freiheit, die ich nicht mehr missen möchte.

Das Fazit

Ich passe nicht mehr in die typische Arbeitswelt. Aber das habe ich ja schon gewusst. Ich bin herausgefallen aus dem System, das ich eh schon länger hinterfragt habe. Und fühle mich glücklich dabei.

Das Nicht-mehr-Normalo-Leben wird anstrengend werden und bestimmt genug Tiefschläge bringen. Aber das ist es wert. Zu jeder Sekunde.

Update September 2017: Sooo anstrengend und mit Tiefschlägen gespickt war es bisher gar nicht. Ja, es gab Tage, an denen ich mich am liebsten unter der Bettdecke verkrochen hätte und mir gedacht habe: “Kann mir nicht einfach wieder jemand wie früher am Monatsanfang Geld überweisen? Wie viel bürokratischen Kram rund um Steuern, Krankenkasse & Co. muss ich denn noch erledigen? Und wer gibt mir jetzt Urlaub?”

Doch an den allermeisten Tagen überwog die 100-prozentige Zufriedenheit, mein eigener Herr zu sein, über meine Zeit bestimmen zu dürfen und mich immer wieder aufs Neue in den verschiedensten Dingen auszuprobieren.

In den vergangenen drei Jahren habe ich in jedem Bereich meines Lebens mehr gelernt als in all den Jahren vorher zusammen. Allein deshalb war es die Erfahrung schon wert.

Als “professioneller Mutmacher” habe ich nun auch meinen absoluten Traumjob gefunden, der mich erfüllt wie noch nie eine Tätigkeit zuvor. Wenn du mehr drüber wissen willst, schau mal hier.

Long story short: Ich würde es jederzeit wieder machen. Der Sprung war genial, der geile Flug dauert immer noch an.

Warst du schon einmal in einer ähnlichen Situation wie ich? Was waren deine Erfahrungen? Ich freu mich auf deinen Kommentar. Wenn dir der Artikel gefallen hat, darfst du ihn auch gerne teilen. 

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